Köln 1552-1615 Prag

Herzog Wilhelm der V. von Bayern mit seinem Sohn Albrecht

um 1590

Öl auf Leinwand, Maße: 229 x 140,5 cm

Detailbeschreibung

Das großformatige Repräsentationsbildnis zeigt den bayerischen Herzog Wilhelm V. (1548–1626) mit seinem jüngsten Sohn Albrecht (1584–1666) in ganzer Figur. Gemäß den Anforderungen eines derartigen Hofporträts bestimmen Rang und Macht die Inszenierung. Rotglänzende Draperien bauschen sich in den oberen Ecken, ergänzt durch den gleichfarbigen Tischüberwurf, um beide Figuren zu fassen. Die asketische Gestalt des in aufrechter Haltung leicht nach rechts blickenden Herzogs in der schwarzen spanischen Tracht erhält Volumen durch den pelzbesetzten Kurzmantel und die ausladende Armhaltung. Auch der schwarze Puffhut trägt zur würdevollen Gestaltung bei. Als Verbundenheit zum katholischen Kaiserhaus der Habsburger trägt er als einzigen Schmuck Ordensband und Kleinod des Ordens vom Goldenen Vlies. Die ausgestreckte Linke weist mehr aus dem Bild hinaus als auf die auf dem Tisch liegenden Schriftstücke, welche für ein Herrscherbild obligat sind. Mit der rechten Hand umfasst der Herzog seinen jüngsten Sohn, dessen kindlicher Charme die Attraktivität des Porträts erhöht. Neugierig richtet der etwa Sechsjährige den Blick voll auf den Betrachter, während die Händchen Halt in der Goldkette und dem väterlichen Pelzbesatz suchen.


Bemerkenswerterweise ist hier der jüngste Sohn Albrecht und nicht der Erbprinz Maximilian wiedergegeben. Dennoch muss dieser Darstellung eine repräsentative Funktion zugefallen sein, da sie in Kopien verbreitet und auch in Porträtfolgen des bayerischen Herzoghauses Verwendung fand. Sehr erwägenswert ist die Vermutung Johannes Erichsens, dass dieser Bildnistypus auf ein für 1589 dokumentiertes Doppelbildnis Wilhelm V. und seiner Gemahlin Renata von Lothringen mit den beiden jüngsten Kindern, Albrecht und Magdalena, von der Hand des Hans von Aachen zurückgeht (J. Erichsen: „Princeps Armins Decoraturs“, in: Ausstellungskatalog Wittelsbach und Bayern, Bd II,1, München 1980, S. 205 f. Anm. 7; bzw. briefliche Mitteilung vom 11.1.1993). Das vorliegende Bildnis wäre demnach eine Teilwieder-holung jenes von Karel van Mander erwähnten Doppelporträts, mit dem Hans von Aachen offenbar seine Tätigkeit am Münchener Hof eingeleitet hatte.


Herrscherbildnisse hatten ihrer Funktion nach eine genau definierte offizielle Prägung, der ein feststehender Typus zugrunde lag. Dieser hatte, dem Rang des Dargestellten gemäß, distanziert zu sein; die individuellen Züge, zur eindeutigen Identifizierung wichtig, erfuhren weitgehende Stilisierung. In diesem Fall hat sich die originale Bildnisaufnahme erhalten, das absolut eigenhändig von Hans von Aachen ausgeführte Porträt Herzog Wilhelm V. im Residenzmuseum in München (Jacoby, Kat. Nr. 101). Dieses Brustbild mag in der Werkstatt des Künstlers verblieben sein, um als bindende Vorlage für weitere Bildnisse zu dienen, vom ganzfigurigen Großformat bis zur Miniatur. Bildnisse wurden ja in größerem Umfang als Geschenke bzw. zur Ausstattung von Residenzen benötigt.


Jacoby führt zwei genaue Kopien dieser Darstellung des Herzogs mit dem Sohn Albrecht auf; eine ist in Landshut auf der Burg Trausnitz ausgestellt und eine im Kloster Zangberg (beide als Teile eines Zyklus). Ein halbfiguriges Bildnis wiederholt den Typus, doch ist statt des Sohnes das Modell der vom Herzog errichteten Münchener Jesuitenkirche St. Michael dargestellt. Leicht variiert, was Kopfbedeckung und Handhaltung betrifft, findet der Typus des Herzogsporträts, allerdings ohne den Sohn, in dem Bildnis des Bayerischen Nationalmuseums Anwendung (Jacoby, Kat. Nr. 103). Dort ist auch das zugehörige Pendant, das Bildnis der Renate von Lothringen, erhalten (Jacoby, Kat. Nr. 93). Alle diese Gemälde sind in der malerischen Substanz reduziert, so daß dem hier präsentierten Porträt durch seine qualitätvolle malerische Ausführung herausragende Bedeutung zukommt. Besonders die Gesichter sind vorzüglich modelliert und heben sich dadurch stark von der sonstigen höfischen Porträtproduktion ab. Hans von Aachen wird wohl selbst beteiligt gewesen sein, nicht, wie bei weniger anspruchsvollen Exemplaren, wo Gemälde nur oberflächlich übergangen wurden.


Für die Bildniskunst des Hans von Aachen sollte der Aufenthalt am Münchner Hof entscheidend werden, brachte er doch die Auseinandersetzung mit dem Stil des höfischen Repräsentationsbildnisses. Seit seiner Münchner Zeit beschäftigte sich der Maler durchgehend mit dem Ganzfigurenbildnis, das, nachdem er 1592 von Kaiser Rudolf II. zum Hofmaler ernannt worden war, seinen Höhepunkt in dem späten Bildnis von Kaiser Matthias in Prag (Jacoby, Kat. Nr. 88) findet.


Es ist dem Künstler durchaus gelungen, innerhalb des gesteckten Rahmens des Hofzeremoniells die Persönlichkeit des Dargestellten psychologisierend durchschimmern zu lassen. Wilhelm V. war 1579 nach dem Tode seines 55jährig verstorbenen Vaters, Herzog Albrecht V., Herzog von  Bayern geworden. Die vorgezeichnete Politik seines Vaters führte der tiefreligiöse Wittelsbacher nur solange fort, bis sein Sohn Maximilian alt genug war, die Macht zu übernehmen. Nachdem dieser 1595 zum Mit-regenten erklärt worden war, dankte Wilhelm V. 1597 ab. Des Herzogs – auf unserem Gemälde dargestellte – Lieblingssohn Albrecht heiratete 1612 Mechthild von Leuchtenberg und wurde seit etwa 1620 vom älteren Bruder zu Staatsgeschäften herangezogen.


Literatur:

  • Joachim Jacoby, Hans von Aachen 1552–1615, München/Berlin 2000, S. 261, Nr. 102, Farbtaf. 10.